A Matter of degrees and structures

Also wer muss jetzt genau was ändern, wegen diesem Klima da?

Ja alle irgendwie und aber v.a. halt wegen den Flügen und aso, ach schwierig, machen wir einfach weiter wie… Stopp. Hier, hören: A Matter of Degrees Podcast, 1. Folge: Give Up Your Climate Guilt

Da wird aufgeräumt mit der Frage, ob die Bekämpfung der Klimakrise eine individuelle, kollektive oder politische Frage ist. TL;DR: Natürlich alles, aber es muss dahin gehen, dass wir zusammen auf strukturelle Veränderungen hinwirken.

Katharine Wilkinson und Leah Stokes sind beide seit langem aktiv in Sachen Klima. Vor allem aber schaffen sie es, in 45min das Thema so aufzubröseln, dass man die eigenen Überlegungen und Zweifel darin erkennt, die verschiedenen Aspekte adäquat beleuchtet werden und der eigene Blick geschärft wird.

Look at my Fussabdruck, my Fussabdruck is amazing

Die Moderatorinnen beginnen mit ihrer eigenen “Umweltbewusstseins-Sozialisierung”. Das ruft Erinnerungen wach: Bei mir z.B., wie mir beigebracht wurde, immer das Licht zu löschen. Den Abfall zu trennen. Und Papier beidseitig zu nutzen.

Das Problem: We’re fooling ourselves. Oder besser: Die Öllobby hat es geschafft, uns einzureden, es gehe in erster Linie um individuelles Klein-Klein. Die Botschaft der Öllobby in den Worten von Bill McKibben, der im Podcast interviewt wird:

We’re just the pushers. You’re the junkies.

Dass das Konzept des CO₂-Fussabdrucks von BP gepusht wurde, um den Fokus auf die individuelle Ebene zu verlagern, ist hinlänglich belegt. Das ist – leider – sehr geschickt: Wenn wir uns als Konsument*innen sehen und nicht als Bürger*innen, fokussieren wir auf unsere Handlungen, nicht auf die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge.

Das Resultat: Wir haben immer noch Benziner a.k.a. Klimakrebschen auf den Strassen, Gasheizungen im Keller, Kohlestrom im Netz – und dazu noch Schuldgefühle. Danke, liebe Ölindustrie! Echt nett, dass ihr euch um unser schlechtes Gewissen kümmert (und selbst munter weiter Öl aus dem Boden pumpt und dafür lobbyiert, dass niemand euer Geschäft vermasselt).

Dazu kommt:

  • Der Effekt individueller Verhaltensänderung ist klein – etwa 8%, nach dem Coronajahr 2020 zu urteilen. (Eine Schweizer Studie beziffert das Potenzial auf etwa 20%).
  • Es existieren technische Lösungen, um all das zu ersetzen: Elektroautos, Velos und Elektrobusse auf die Strassen, Wärmepumpen in die Keller, Energie aus Wasser, Wind und Sonne ins Netz.

Müssen wir also einfach grösser denken, ist unser individuelles Handeln scheissegal und es zählt nur die Politik?

It’s the Strukturen, stupid

Bill McKibben bejaht:

We’re getting carried away with the idea that the task was to perfect our own lives but that’s not the task. … It’s important to screw in a new light bulb, but it’s probably more important to screw in a new senator.

Wenn man davon ausgeht, dass jede*r von uns ein beschränktes Mass an Zeit und Energie zur Verfügung hat, geht es darum, sie effizient einzusetzen. Und da stehe an oberster Stelle: Organise. Also sich einer Bewegung anschliessen, Freunde überzeugen, Druck auf die Politik machen – und wenn man dann noch mag, ist der Moment gekommen, das eigene Verbessungspotenzial auszuloten.

Ganz ähnlich übrigens Marko Kovic:

Als Individuen können wir dabei lediglich im Rahmen bestehender Strukturen und des bestehenden Systems Entscheidungen treffen, aber das System an sich können wir dadurch, dass wir im Rahmen des Systems Entscheidungen treffen, nicht verändern.

Das Problem ist die Struktur. Und die werde ich durch die Begrenzung meiner Emissionen nicht verändern. Sind wir also wir fein raus, Malediven ahoi, solang wir an die Klimademo gehen und eine Partei mit grünem Logo wählen? Ja eh! Und dann kompensieren wir’s einfach in Afrikanien!‌ Kann man so machen, geht aber irgendwie nicht wirklich auf. Das individuelle Handeln spielt also doch eine Rolle.

Individuelles Handeln 🤝 strukturelle Veränderungen

Es geht also nicht um meine persönliche Emissionen; Aber individuelle Handlungen sind trotzdem nicht egal – sie sind Basis und Motor zur Veränderung der Strukturen:

  • Funke und Leuchtturm: Am Anfang steht ein persönlicher Bezug zum Thema: Ich sorge mich ums Klima, ich will etwas tun. Das individuelle Handeln motiviert und ist der Anker, um sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen.
  • Integrität gegen innen: Im ständigen Spagat zu leben ist anstrengend. Die Story, die wir uns über uns selbst erzählen, soll stimmig sein. Live into your values!
  • Glaubhaftigkeit gegen aussen: Persönliches Commitment hilft dabei, etwas gegenüber andren zu vertreten und sie zu inspirieren. Stichwort gutes Beispiel: Wer ÖV predigt und im SUV rumfährt, hat verloren.

Das individuelle Handeln hilft uns – vorausgesetzt, es ist nicht Ersatz für die strukturelle Ebene, sondern Ergänzung. Wichtig ist der Link: Vom individuellen Bezug zur Überzeugung, dass strukturelle Veränderungen nötig sind. Wie es im Podcast heisst: a path between individuals and policy. Anfixen und Bewusstsein ist individuell, aber dann müssen wir den Blick aufs Strukturelle richten.

Merke: Individuell kann Verschiedenes heissen. Greta Thunbergs Klimastreik ist eine individuelle Handlung. Hier setzt auch die Idee vom Climate Shadow an: Der individuelle Beitrag, auf den es ankommt, ist Aktivismus (im weitesten Sinne): whether your words amplify urgency, apathy, or denial.

Fazit

Wer sich ums Klima kümmert, intressiert sich auch für den eigenen Fussabruck. Das ist nur logisch und sicher nicht schlecht; Aber der eigene Einfluss auf Emissionen ist sehr begrenzt. Deshalb sollten wird nicht zu viel Energie ins Perfektionieren der eigenen Auswirkungen aufs Klima investieren und stattdessen den Fokus auf die grösseren Zusammenhänge richten.

Anders gesagt: Der beste individuelle Beitrag ist politischer Druck. Auf System spielen, nicht auf Moral. Oder wie es im Podcast heisst:

We don’t need people thinking about carbon footprints. We need people thinking about power.

Kim   •   18.12.2021