Biokunststoffe
Ein paar Notizen zu Biokunststoffen, via arte Xenius (leider nicht online).
Status quo: Wir verbrauchen pro Jahr und Kopf ca. 125kg Kunststoffe (BAFU), ca. 40kg davon für Verpackungen (Umweltbundesamt – Zahlen nur als Anhaltspunkt). Diese sind mit Problemen am Anfang und Ende der Verbrauchskette verbunden:
- Produktion aus fossilen Rohstoffen
- hält oft viel länger als benötigt
- Verbrennen setzt CO₂ frei
- ein Teil gelangt als Mikroplastik in die Umwelt
Neben sparsamerem Einsatz (unrealistisch, da sehr praktisch) und Recycling (scheitert im Moment an Praktikabilität, eingespielten Prozessen bzw. dem Willen, diese zu verändern) wären also alternative Kunststoffe gefragt, die Vorteile bei der Herstellung, Energiebilanz und/oder Abbaubarkeit aufweisen – sogenannte Biokunststoffe. (“Biokunststoffe” kann sich – Achtung Verwirrung – auf die Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen beziehen oder auf die Abbaubarkeit.)
Was können Biokunststoffe?
Es gibt heute Biokunststoffe mit vergleichbaren oder besseren Eigenschaften als Plastik. Sie werden oft aus Stärke hergestellt.
Die Vorteile sind:
- Herstellung: kein fossiles CO₂ freigesetzt
- bessere Abbaubarkeit möglich
Als Nachteil ist die Energiebilanz anzuführen – Die Herstellung von Biokunststoffen ist tendenzieller energieintensiver. Dies ist als Argument aber in dem Moment hinfällig, wo fossile Ausgangsstoffe als Option wegfallen. Energie kann im Gegensatz dazu nämlich auch nachhaltig produziert werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Verwertung einiger Rohstoffe die Essensproduktion konkurrenzieren könnte (meines Erachtens ebenfalls kein Hinderungsgrund, da eine Frage guter Organisation, aber natürlich super für Angstmacherei).
Wo klemmt’s?
Mehrere Umstände verhindern den schnellen Umstieg auf Alternativen:
Interessenpolitik der Plastikindustrie: Die Herstellung von Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen ist eine profitable Industrie. Bestehende Industrien sind im Vorteil gegenüber neuen, da sie mehr Gewicht haben (siehe Autoindustrie).
Preis: Biokunststoffe sind meist teurer.
Eingespielte Abläufe beim Recycling: Die Integration von Biokunststoffen in bestehende Prozesse wirft Fragen auf:
- Biokunststoffe, die gut abbaubar sind, könnten zu Kompost verarbeitet werden, verfallen allerdings nicht so schnell wie Bioabfälle, was aussortieren oder längere Lagerung bedeutet, worauf die Recyclingindustrie nicht ausgelegt ist.
- Separate Behandlung scheitert an aufwendiger Trennung; dies ist auch ein Problem, wenn Biokunststoffe im Plaste- oder Restmüll von fossilem Plastik getrennt werden müssen, da sie nicht dieselben Eigenschaften für die Wiederverwertung aufweisen.
Kleiner Exkurs: Plastikrecycling
Ein weiterer Puzzlestein für mehr Nachhaltigkeit wäre besseres Recycling von herkömmlichem Plastik. Dem steht die aufwendige Trennung entgegen sowie jahrzehntelange Planungen von Kehrichtverbrennung, die ausgelastet werden müssen, um zu rentieren – wobei Plastik am meisten Energie liefert (SRF Input).
Also: Alles ist ausgelegt auf einen Prozess, deshalb muss alles bleiben wie es ist, damit der so bleiben kann, denn sonst gäbe es einen anderen Prozess. Erinnert mich ein kleines bisschen an Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Die im Moment in der Schweiz verfügbaren Recycling-Möglichkeiten sind nicht in Wiederverwertungskreisläufe eingebunden und taugen unter diesen Umständen wohl nur als symbolischer Fingerzeig, nicht als echte Verbesserung hin zu mehr Nachhaltigkeit (vgl. Beobachter).
Unter den gegebenen Umständen ist im Moment Plastik-Recycling in der Schweiz nicht überzeugend, aber per se auch keine schlechte Idee.
Fazit
Es gibt mehrere Probleme und mehrere Ansätze rund um unseren Plastikverbrauch.
Realistischerweise können Biokunststoffe nicht alle aufs Mal lösen. Deshalb ist es wohl sinnvoll, in verschiedene Richtungen zu denken (andere Produktion; Abbaubarkeit; andere Recyclingprozesse).
Viele der momentanen Probleme scheinen jedoch Übergangsphänomene zu sein, die zwar lästig sind, aber vor allem von der Fokussierung auf den “Standard” Plastik herrühren.
Der Anteil von Biokunststoffen stand 2019 in Europa etwa bei 1% (European Bioplastics), allerdings gibt es einen klaren Aufwärtstrend (2005 noch 0.1% laut deutschem Umweltbundesamt, S. 5). Die Technologie ist da, und qualitativ scheint grundsätzlich nichts gegen Biokunststoffe zu sprechen.